Die Forschung in Singapur geht weiter

Seit 2010 forscht die ETH Z¨¹rich in Singapur. Am Singapore-ETH Center startete j¨¹ngst die zweite Phase des Future Cities Laboratory. Anlass f¨¹r das Magazin ?Globe?, einen Blick auf die Schweizer Forschung im Stadtstaat zu werfen.

Singapur, 7. Juli 2015, Feierabendverkehr: Nichts geht mehr. Auf der Metrolinie, die den S¨¹den mit dem Norden verbindet, f?hrt kein Zug und auch die Ost-West-Verbindung f?llt f¨¹r zwei Stunden aus. ?ber 250'000 Pendlerinnen und Pendler sind davon betroffen. Alles andere als Alltag in der wohlorganisierten Stadt S¨¹dostasiens. Und der Ausl?ser f¨¹r einen Artikel von Hans Rudolf Heinimann in Singapurs auflagest?rkster Tageszeitung, der ?Straits Times?. Im Artikel erw?hnt der ETH-Professor auch einen Stromausfall, der ein halbes Jahr zuvor zu einer dreist¨¹ndigen Schliessung der B?rse gef¨¹hrt hatte.

Widerstandsf?higere Netzwerke

Heinimann interessiert die grunds?tzliche Frage, wie Netzwerke widerstandsf?higer gemacht werden k?nnen, um die Infrastruktur als R¨¹ckgrat einer Stadt zu st?rken. Und nat¨¹rlich geht es ihm darum, den Entscheidungstr?gern des Stadtstaates zu zeigen, dass das Forschungsprogramm Future Resilient Systems Antworten auf konkrete Fragen liefern kann. Dieses gemeinsame Projekt der ETH Z¨¹rich und der National Research Foundation of Singapore leitet Heinimann seit Ende 2014 am Singapore-ETH Centre (SEC).

Vergr?sserte Ansicht: Das Bild zeigt das SEC Hochhaus
Das SEC ist im sechsten und siebten Stock des CREATE Tower untergebracht. CREATE steht f¨¹r Ó¢»ÊÓéÀÖ for Research Excellence and Technological Enterprise und vereinigt die Forschungszentren globaler Spitzenuniversit?ten, mit denen die National Research Foundation zusammenarbeitet. (Photography by Tim Griffith, Design/Planning Architect: Perkins+Will)

Das Programm besch?ftigt sich mit ganz unterschiedlichen Infrastrukturen, vom Stromnetz ¨¹ber den Verkehr bis hin zu den Banken. Dabei steht die Gesamtbetrachtung im Zentrum. ?Oft ist das Versagen eines Systems nicht auf die Technik zur¨¹ckzuf¨¹hren, sondern auf die Organisation oder auf die Nutzer, beispielsweise beim Verkehr?, erkl?rt Heinimann. Entsprechend schauen die Forschenden diese drei Faktoren im Verbund an. Die grundlegenden Prinzipien dahinter seien auf unterschiedliche Systeme ¨¹bertragbar.

Noch befindet sich das Programm in der Aufbauphase. Erst 45 der 60 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind rekrutiert. Sie werden von Heinimann auf die gemeinsame Aufgabe eingeschworen: ?Das Arbeiten an einem gemeinsamen Verst?ndnis ist zentral und eine st?ndige Aufgabe angesichts der Vielzahl von L?ndern und Universit?ten, aus denen die Forschenden kommen.? Ein Beispiel f¨¹r die Spannweite: ?Wir haben Doktorierende, die selbstverantwortlich eine Projektzielsetzung verfolgen, w?hrend andere Teilaufgaben f¨¹r die n?chsten Wochen erwarten?, erkl?rt der Z¨¹rcher Professor. Man kann sich unschwer vorstellen, wie gross der Initialaufwand ist angesichts so unterschiedlicher Hintergr¨¹nde.

Reale Daten f¨¹r reale L?sungen

Eine noch gr?ssere Herausforderung ist es f¨¹r Heinimann und seine Kolleginnen und Kollegen, das Vertrauen der staatlichen Stellen in Singapur zu gewinnen, um an echte Daten f¨¹r die Forschung zu gelangen. ?Dieser Aufwand wird in der Schweiz gerne untersch?tzt?, sagt er. So sieht der Vertrag mit der National Research Foundation vor, dass w?hrend der ersten drei Jahre Modelle aufgrund generischer Daten entwickelt werden. Dann erst wollen sich die Entscheidungstr?ger in Singapur festlegen, ob sie den Forschenden echte Daten zur Verf¨¹gung stellen. Dass Daten zur Infrastruktur als heikel gelten, wird schon daran ersichtlich, dass die National Research Foundation und das National Security Coordination Secretariat gemeinsam das Partnership Council des Programms leiten. Vor diesem Hintergrund ist es ein Ausdruck des Vertrauens, dass dieses ETH-Forschungsprogramm ¨¹berhaupt bewilligt wurde.

Erworben wurde das Grundvertrauen mit dem ersten Forschungsprogramm, dem Future Cities Laboratory, das die ETH Z¨¹rich 2010 zusammen mit der National Research Foundation startete. ?Der Austausch mit der National Research Foundation funktioniert hervorragend?, sagt Gerhard Schmitt, Delegierter ETH Global und treibende Kraft hinter dem ETH-Forschungsstandort in Singapur. Um gleich anzuf¨¹gen, dass der Bekanntheitsgrad der ETH in Asien bemerkenswert gestiegen sei ¨C das strategische Ziel des Engagements in Asien.

Vergr?sserte Ansicht: Das Bild zeigt Forschende bei der Zusammenarbeit
Die R?ume im Singapore-ETH Centre f?rdern die Zusammenarbeit. (Bild: SEC)

?Das Singapore-ETH Centre ist zur wissenschaftspolitischen Plattform f¨¹r die Schweiz geworden?, stellt Schmitt fest, der das SEC die ersten drei Jahre als Gr¨¹ndungsdirektor leitete. Die zahlreichen Besuche aus Politik und Wirtschaft belegen diese Aussage; so durfte das SEC bereits zwei Bundesr?te und eine Bundesr?tin empfangen. Besuche finden aber auch in die Gegenrichtung statt: 2014 hat Singapurs Staatspr?sident Dr. Tony Tan die ETH in Z¨¹rich besucht, bevor er in Bern vom Schweizer Bundespr?sidenten empfangen wurde. Mit Dr. Tan ist die ETH besonders verbunden. Er war es, der 2006 die National Research Foundation gr¨¹ndete, bevor er Pr?sident des Stadtstaates wurde.

Schmitts Nachfolger Peter Edwards kam im Herbst 2013 nach Singapur und war erstaunt, wie sich das erste ETH-Forschungsprogramm innert k¨¹rzester Zeit in Singapurs Forschungslandschaft etabliert hatte. Edwards schw?rmt von der Vernetzung mit Regierungsbeh?rden, Industriepartnern und Universit?ten in Singapur, Indonesien und Malaysia. ?Dies war eine wichtige Voraussetzung, um Daten zu erhalten und reale Probleme l?sen zu k?nnen?, h?lt er fest. Die Forschenden aus Z¨¹rich haben etwa ein Modell des Singapurer Stadtverkehrs erstellt, das als Planungsinstrument f¨¹r k¨¹nftige Investitionen dienen kann. MATSim heisst das Tool, mit dem Wissenschaftler um Professor Kay Axhausen den Verkehr in Singapur simulieren. Die Software wurde von Forschenden der ETH Z¨¹rich, der TU Berlin und dem ETH-Spin-off Senozon entwickelt und kann in St?dten auf der ganzen Welt angewendet werden.

Weit ¨¹ber Singapur hinaus zentral

3for2 heisst ein anderes Projekt, das weit ¨¹ber Singapur hinaus von zentraler Bedeutung ist und gleichzeitig veranschaulicht, weshalb gewisse Forschungsfragen nicht in Z¨¹rich angegangen werden k?nnen. Die K¨¹hlung von Geb?uden ist in warmen Weltgegenden ein grosses Thema. ETH-Professor Arno Schl¨¹ter hat mit seiner Gruppe in Singapur ein Air-Conditioning-System entwickelt, das nicht nur substanziell weniger Energie braucht als konventionelle Klimaanlagen. Das K¨¹hlsystem l?sst sich auch auf viel weniger Platz unterbringen. Anstelle von zwei Etagen k?nnen mit der 3for2-Technologie deren drei gebaut werden. Erstmals angewendet wurde das System im United World College South East Asia Ó¢»ÊÓéÀÖ in Singapur.

Die zwei Beispiele illustrieren die Wirkung des ersten ETH-Forschungsprogramms. Auch die National Research Foundation hat es als Erfolg gewertet und der Finanzierung eines Nachfolgeprogramms zugestimmt. Future City Laboratory 2 startete letztes Jahr. Laut Programmdirektor Stephen Cairns wollen die Forschenden mit den Erfahrungen aus der ersten Phase vermehrt von konkreten Lebenssituationen in bestimmten St?dten ausgehen und daraus allgemeing¨¹ltige Erkenntnisse ableiten. Die Herausforderungen der Urbanisierung seien vom Charakter her global, in der Auspr?gung aber lokal.

Chancen erkennen

Stellt sich die Frage, ob weitere Programme hinzukommen. ?Das ist eine gr?ssere Herausforderung?, meint SEC-Direktor Peter Edwards. Die Thematik eines Programms muss zu den Forschungsschwerpunkten Singapurs passen, und gleichzeitig m¨¹ssen Forschende an der ETH die Chancen solcher Programme erkennen. ?Manchmal ist es nicht ganz einfach, aus 11000 Kilometer Entfernung die Kolleginnen und Kollegen in Z¨¹rich von den M?glichkeiten solcher Kooperationen zu ¨¹berzeugen?, sagt Edwards. Interessant sind solche Programme aber auch aus institutioneller Sicht, wie Gerhard Schmitt anmerkt: ?Das SEC ist eines der gr?ssten Drittmittelprojekte im Ausland, bei dem sich ETH-Forschungsgruppen im direkten Wettbewerb mit Forschungsgruppen anderer Spitzenuniversit?ten wie MIT oder UC Berkeley erfolgreich durchsetzen.?

Singapore-ETH Centre (SEC)

Das Singapore-ETH Centre for Global Environmental Sustainability (SEC) wurde 2010 von der ETH Z¨¹rich gemeinsam mit der National Research Foundation of Singapore (NRF) gegr¨¹ndet. Es ist der wissenschaftliche Knotenpunkt der ETH Z¨¹rich in Asien und dient der Vernetzung mit Forschenden von Universit?ten, Forschungseinrichtungen und der Industrie vor Ort. Das SEC bildet den Rahmen f¨¹r einzelne Forschungsprogramme, die jeweils f¨¹r f¨¹nf Jahre laufen. Das Future Cities Laboratory (FCL) startete 2010 als erstes solches Programm; 2014 kam das Programm Future Resilient Systems dazu. Als 2015 das FCL auslief, beschlossen ETH und NRF, ein Nachfolgeprogramm zu starten (FCL 2), sodass die ETH zurzeit mit zwei Programmen im CREATE Tower pr?sent ist.

FCL: Start der Phase 2 an der ETH Z¨¹rich

Im September 2015 startete die zweite Phase des Future Cities Laboratory (FCL 2) am Singapore-ETH Center. Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen Forschungsprojekte stellen nun am 20. April an der ETH Z¨¹rich in kurzen Vortr?gen ihre Arbeit vor. Dabei zeigen sie auf, welche neuen Themen, Ans?tze und Methoden sie in Singapur am FCL 2 verfolgen. Der anschliessende Ap¨¦ro bietet danach die Gelegenheit zum Austausch mit den FCL-Forschenden.

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